Vor 50 Jahren: Beide Basketballtitel gehen an den Neckar!

1973 feierte die alte Basketball-Hochburg Heidelberg nochmals einen großen Triumph. Der USC erkämpfte im neuen Bundesleistungszentrum seine 8. Deutsche Meisterschaft, und wenige Wochen später holte sich der Retortenverein Heidelberger Sportclub an gleicher Stätte den Damentitel.

Solche Doppelmeisterschaften in einer Stadt hatte es freilich auch zuvor schon mehrfach gegeben. Den Anfang hatte bereits 1947 München gemacht, als bei den Herren der MTSV Schwabing und bei den Damen der TS Jahn 1883 den Titel holten. 1952 war dann Heidelberg an der Reihe, doch im Gegensatz zu München waren daran nicht zwei Vereine beteiligt, sondern mit dem Turnerbund Heidelberg gewann ein einziger Verein die Damen- und die Herrenmeisterschaft, was später (1979) nur noch dem TuS 04 Leverkusen gelingen sollte.

War schon eine Meisterschaft ein Aushängeschild, so waren beide Titel in einer Stadt eine besondere Rarität. Doch für Heidelberg gehörten sie einige Zeit fast zum Alltag, schienen ihm gar anzugehören wie etwa das berühmte Schloss. Denn in der großen Zeit des Heidelberger Basketballs waren bei den Herren der USC und bei den Damen der Heidelberger Turnverein 1846 einige Jahre Serien- und auch Rekordmeister. Von 1957, als der USC seine erste Meisterschaft holte, bis 1960 mit der vorläufig letzten Meisterschaft des HTV verliefen diese beiden Serien parallel, so dass über vier Jahre hinweg der Damen- und der Herrentitel zugleich an Heidelberg gingen.

Diese glorreiche Zeit endete jedoch und musste zwangsläufig auch enden, da sich der Basketball-Sport weiter verbreitete und andere Standorte aufholten. Damit verflüchtigten sich allmählich auch die Standortvorteile, die Heidelberg in seiner speziellen Nachkriegs-Situation mit der weitgehend unzerstörten Stadt, der Universität und den amerikanischen Streitkräften zunächst hatte. Andere Städte konnten im Gegensatz zu Heidelberg zunehmend ihr industrielles Potenzial in die Waagschale werfen und Sponsorengelder einwerben, die am Neckar indes ausblieben, zumal gerade beim USC die überwiegend akademisch geprägten Kluboberen sich mit deren Akquise ohnehin schwertaten. Diese Entwicklung zum Profisport erfolgte wie bei vielen anderen Sportarten bei den Herren deutlich früher als bei den Damen.

Der Weg des USC zu seiner 8. Deutschen Meisterschaft

Der Traditionsverein setzte also weiterhin auf die schöne Stadt und auf Studienplätze. Nach der angesichts des hoch eingeschätzten Kaders enttäuschend verlaufenen Saison 1971/1972 hatte es beim USC jedoch eine scharfe Zäsur gegeben. Trainer Volker Heindel und die meisten Spieler hatten den Verein verlassen oder ihre Laufbahn beendet. Verblieben waren Mannschaftskapitän Wolfgang Lachenauer, Hans Riefling, Hilar Geze und Dr. Walter Fuchs. Neu zum USC kam der Nationalcenter Dietrich Keller, mit ihm aus Mainz zurück das Heidelberger Eigengewächs Christoph Staiger. Zum Kader stießen zudem der Amerikaner George Weston und einige Nachwuchsspieler.
Mit dem amerikanischen Trainer Dick Stewart, Lehrer an der hiesigen High School, hofften die USC-Basketballer auf frischen Wind von der Trainerbank. Solchen gab es auch mit der neuen und wesentlich größeren Spielstätte Bundesleistungszentrum (heute OSP) in unmittelbarer Nachbarschaft der 10 Jahre zuvor eingeweihten Universitäts-Sporthalle (ISSW). Als Favorit auf den Meistertitel, den der USC letztmals 1966 errungen hatte, galten die Neckarstädter jedoch trotz all dieser Neuerungen nicht.

Die Spielrunde in der Bundesliga Süd verlief für den USC dann auch durchwachsen. Mit neun Siegen und fünf Niederlagen schlossen die Universitätsstädter hinter dem verlustpunktfreien MTV Gießen und dem USC München (20:8) auf dem 3. Tabellenplatz ab.

Die Meistermannschaft von 1973.
Stehend von links: George Weston, Friedhelm Berres, Detlef Schöpf, Walter Wieland, Hilar Geze, Trainer Dick Stewart, Christoph Staiger, Didi Keller, Wolfgang Lachenauer, Betreuer „Pulver“ Kaiser
Kniend von links: Hans Riefling, Horst Herrmann, Armin Zimmermann (Slg. Wolfgang Lachenauer)

Damit qualifizierte sich der USC immerhin für die Endrunde, in deren Gruppe 1 er zusammen mit Gießen sowie den Nordvertretern VfL Osnabrück (N2) und MTV Wolfenbüttel (N4) anzutreten hatte.
Dort setzten sich mit Heimsiegen untereinander und Siegen gegen die Nordvertreter der MTV Gießen und der USC Heidelberg durch und zogen in das Halbfinale ein. In der Abschlusstabelle dieser Gruppe belegte der MTV Gießen mit 10:2 Punkten den ersten Platz vor dem punktgleichen USC.

In der ER-Gruppe 2 kämpften der SSV Hagen (N1), der USC München (S2), der Titelverteidiger TuS 04 Leverkusen (N3) und der 1. FC Bamberg (S4) um den Einzug in das Halbfinale. Es kam es zu der kuriosen Situation, dass am Ende alle vier Teilnehmer jeweils 6:6 Punkte hatten. So musste der Rechenschieber über die Tabellenplätze 1 (TuS 04 Leverkusen) und 2 (1. FC Bamberg) entscheiden.

Danach lauteten die Paarungen der jeweils zwei Überkreuzspiele TuS 04 Leverkusen – USC und MTV Gießen – 1. FC Bamberg.

Unerwartet deutlich setzte sich der Rekordmeister USC in beiden Halbfinalspielen gegen den Titelverteidiger TuS 04 Leverkusen durch und erreichte damit die Finalspiele. Dorthin folgte ihm der MTV Gießen, der den 1. FC Bamberg durch zwei souveräne Siege ebenfalls distanzierte.

Die Ergebnisse der Halbfinalspiele

USC – TuS 04 Leverkusen 64:52 (37:16)
1. FC Bamberg – MTV Gießen 56:87 (30:35)
TuS 04 Leverkusen – USC 60:70 (31:30)
MTV Gießen – 1. FC Bamberg 107:82 (51:47)

Die Endspiele

In den beiden Endspielen gegen den MTV Gießen sicherte sich der USC mit dem knappsten aller Ergebnisse seinen 8. Meistertitel. Am 17.3.1973 hatte der von Dietfried Kienast trainierte MTV im Heimspiel alle Mühe, in letzter Sekunde den Ausgleich zum 70:70 zu erreichen.

Das 1. Finalspiel in Gießen:
MTV Gießen – USC Heidelberg 70:70 (32:36)
MTV: Koski (22), Jungnickel (16), Decker (14), Peters (12), D. Strack (4), Röder (2), Minor, Breitbach, Gentzen, Bauernfeind, Krausch
USC: Geze, Keller, Staiger (je 12 Punkte), Riefling, Weston (je 10), Lachenauer (9), Wieland, Herrmann (je 2), Berres (1), Schöpf

Das Rückspiel am 24.3.1973 in Heidelberg verlief ähnlich dramatisch wie das Hinspiel. Zunächst dominierte jedoch der USC und ging mit einem Vorsprung von neun Punkten in die Pause.
Konzentriert und diszipliniert kämpfte sich der MTV in der 2. Halbzeit heran und erreichte sechs Minuten vor Schluss den Einstand zum 53:53. Nach wechselnder 2-Punkte-Führung erzwang Gießen wiederum Sekunden vor Schluss mit 65:65 die Verlängerung. Doch am Ende konnte der USC, bei dem Hans Riefling eine überragende Leistung geboten hatte, mit 71:70 triumphieren.

Das 2. Finalspiel in Heidelberg:
USC Heidelberg – MTV Gießen 71:70 (37:28)
USC: Riefling (26), Geze (18), Keller (11), Staiger (6), Wieland (4), Lachenauer (2), Weston (2), Herrmann (2), Schöpf, Berres, Zimmermann
MTV: Jungnickel (27), Decker (20), Koski (14), Peters (2), Weigand (2), Breitbach (2), Gentzen (2), D. Strack (1), Röder, Minor, Bauernfeind

Auch Heidelberger SC wird Deutscher Meister

Der noch junge HSC hatte bereits zweimal in Endspielen um die Deutsche Meisterschaft der Damen gestanden, war jedoch 1969 am VfL Lichtenrade Berlin und 1970 am 1. SC 05 Göttingen gescheitert.
Auch die KuSG Leimen hatte schon einen Anlauf auf den Meistertitel unternommen, musste sich aber 1967 dem ATV 1877 Düsseldorf beugen.

In der Südgruppe der Damenbasketball-Bundesliga kamen 1973 der Heidelberger SC und die KuSG Leimen mit jeweils 20:4 Punkten gemeinsam über die Ziellinie. Mit jeweils Sieg und Niederlage waren die beiden Spiele gegeneinander sehr knapp ausgegangen. Einen Korbpunkt lag die KuSG im direkten Vergleich vorne und sicherte sich so die Südmeisterschaft.
Auch in der Nordgruppe hatte es ein Kopf-an-Kopf-Rennen gegeben. Hier gab es am Ende drei Teams mit jeweils 20:8 Punkten. Nordmeister wurde der TV Grafenberg vor seinem Lokalrivalen ATV Düsseldorf und dem Titelverteidiger 1. SC Göttingen 05, der damit aus dem Rennen war.
Somit kam es zu Überkreuzspielen zwischen dem Südmeister KuSG Leimen und dem Nordzweiten ATV Düsseldorf sowie dem Nordmeister TV Grafenberg und dem Südzweiten Heidelberger SC.

In diesem Quasi-Städtevergleich zwischen Heidelberg/Leimen und Düsseldorf hatten die Westvereine das Nachsehen. Der HSC setzte sich in seinem Heimspiel gegen den TV Grafenberg überraschend deutlich mit 63:52 (31:26) durch und siegte auch im Rückspiel mit 51:48 (24:21).
Auch die KuSG Leimen gewann ihre beiden Halbfinalspiele. Sie siegte beim ATV Düsseldorf mit 59:57 (33:26) und im Heidelberger BLZ trotz Pausenrückstands überlegen mit 63:41 (27:30).

In den beiden Endspielen galt das KuSG-Team als leicht favorisiert. Der Verlauf der Spiele erinnerte dann in seiner Dramaturgie verblüffend an die vorausgegangenen Herrenfinalspiele USC – Gießen.
Im ersten Endspiel hatte der HSC am 5.5.1973 Heimrecht und kam im ISSW über ein Unentschieden nicht hinaus:
Heidelberger Sportclub – KuSG Leimen 48:48 (26:21)
HSC: Rühle (17), Veckova (12), Balzer (8), Haas (4), Barton (4), Bartel (3), Kreische, Reißner, Hornung, Gründler, Bischler, Wölke
KuSG: Adolph (16), Hülsmann (10), Echner (10), Mayer (8), Bähr (4), Pupp, Dieterle, Marin, Peters

Wiederum im BLZ empfing die KuSG Leimen am 12.5.1973 den HSC vor 1200 Zuschauern zum alles entscheidenden Rückspiel. Die HSC-Damen erspielten sich rasch eine 6:1-Führung, die Leimen bis zur Halbzeit nahezu ausglich. Bis Mitte der 2. Spielhälfte blieben beide Teams auf Augenhöhe (41:40 für den HSC). In dieser Phase schwächelten die Heidelbergerinnen, indes fehlten der KuSG Wurfglück und Entschlossenheit, um in Führung zu gehen und sich abzusetzen. Doch überwand der HSC diese Schwächephase und setzte sich nun seinerseits auf 52:41 ab. Die Leimenerinnen kamen trotz aller Anstrengungen nur noch auf drei Punkte heran.
KuSG Leimen – Heidelberger SC 54:57 (26:28)
KuSG: Mayer (24), Echner (16), Hülsmann (8), Pupp (4) (2 Punkte können nicht zugeordnet werden)
HSC: Rühle (19), Veckova (13), Bartel (11), Balzer (8), Haas (2), Barton (2), Kreische (2)

Der HSC-Trainer Dr. Wolfgang Heinker sprach anschließend von einem verdienten Sieg seines Teams. Sein Leimener Kollege Willi Pupp stimmte ihm zu und bezeichnete die Heidelbergerinnen als die bessere Mannschaft.

Die HSC-Meistermannschaft (von links): Helga Balzer, Hannelore Kreische, Iris Barton, Gabriele Bartel, Christina Hornung, Angela Bischler, Gudrun Wölke, Christine Weiß, Christine Haas, Ursula Reissner, Milena Veckova und Sarah Rühle (Quelle: „HSC-Information“ Nummer 202, 4. Quartal 1987)

Wie sahen nun die Vorbedingungen für diese HSC-Meisterschaft aus?
Der Heidelberger Sportclub war erst 1968 auf Initiative des damaligen Oberbürgermeisters Reinhold Zundel, der einen Großverein wünschte, durch die Fusion zwischen dem Turnerbund Heidelberg, den Freien Turnern Heidelberg und dem DSC Heidelberg entstanden.
Seinerzeit hatte Heidelberg im Damenbasketball bereits viel von seinem einstigen Glanz eingebüßt. Der letzte Titel des Rekordmeisters HTV 46 lag 10 Jahre zurück, mittlerweile spielten die HTV-Damen unterklassig. Bei der TSG 78 wurde überhaupt nicht mehr Basketball gespielt, der BCH hatte sich dagegen längst aufgelöst.
So schloss sich so manche Spielerin, die zuvor ihre Basketballstiefel für die TSG 78, den BCH, den TBH, den HTV 46 oder die Freien Turner geschnürt hatte, nun dem HSC an, der immerhin in der höchsten Spielklasse mitmischte. Ein Beispiel ist Hannelore Kreische, die bereits 19 Jahre zuvor mit der TSG 78 den Meistertitel geholt und danach noch einige weitere mit dem HTV 46 gewonnen hatte.
Auch Trainer Wolfgang Heinker konnte eine illustre Karriere vorweisen. Als TBH-Basketballer der ersten Stunde hatte er mit dem Altmeister vier Titel errungen und 1952 nicht nur die TBH-Herren als Spielertrainer zur Meisterschaft geführt, sondern auch als Trainer mit den Damen den Titel geholt. Als Nationalspieler hatte Heinker an zwei Europameisterschaften teilgenommen, in den späten 1950er Jahren als Damen-Bundestrainer fungiert und die HTV-Damen zu mehreren Deutschen Meisterschaften geführt. Später hatte der Mediziner wieder beim Turnerbund als Trainer gearbeitet und war mit ihm 1968 im Rahmen der Fusion zum HSC übergegangen.
Dieses HSC-Meisterteam verkörperte also ein beachtliches Stück Heidelberger Basketball-Geschichte. Derweil zählten zu den wichtigsten Stützen des HSC auch zwei Spielerinnen, die das Basketball-Handwerk im Ausland erlernt hatten. Milena Veckova war zuvor 174fache tschechoslowakische (und 50fache im Handball!), Sarah Rühle 165fache ungarische Nationalspielerin gewesen. Indes hatte die geballte Erfahrung der HSC-Damen ihren Preis, denn ihr Altersdurchschnitt von 36 Jahren war ungewöhnlich hoch. Veckova zählte bereits 40, Rühle 36, Kreische 37 Jahre. Obwohl auch junge Spielerinnen wie Gabriele Bartel oder Iris Barton bereits viel Verantwortung trugen, hatte das HSC-Team in dieser Besetzung wohl seinen Zenit erreicht oder überschritten, seine vermutlich letzte Meisterschaftschance genutzt.

Zum Weiterlesen über die Basketballgeschichte des USC und Heidelbergs:
https://www.usc-hd.de/verein/usc-historie

Text: Peter Wittig
Beitragsbild: Die Anzeigetafel im BLZ nach dem Endspielsieg des USC (Foto: Peter Wittig).