Anne Zipser: „Es ist nie langweilig in diesem BasCats-Team“

Nach einem vierjährigen Intermezzo mit den Stationen Wasserburg, Hannover und zuletzt Kalgoorlie-Boulder/Australien ist Anne Zipser (26) zu den USC BasCats Heidelberg zurückgekehrt. Bei einem Treffen mit Cheftrainer René Spandauw und Co-Trainer Oliver Muth fanden die Beteiligten flott Konsens. Vor dem Pokalspiel der „Raubkatzen“ am 3. Oktober (Donnerstag, 19.30 Uhr, ISSW) gegen den deutschen Vizemeister Rutronik Stars Keltern sprachen wir ausführlich mit der neuen BasCats-Kapitänin.

Worüber? Selbstverständlich über Annes Heidelberg-Comeback, ihre bisherige Karriere, die neuen Teamkolleginnen, René Spandauw, die Stippvisite tief im Westen von „Down Under“ und ihre beruflichen Pläne abseits der Basketball-Hallen. Dass Anne seit jeher ein glühender Fan ihres älteren Bruders Paul Zipser (30) von den MLP Academics ist, bekennt sie sympathisch offen. Im BasCats-Team nimmt Anne derweil eine zentrale Rolle ein. Sie ist das spürbar gereifte Bindeglied zwischen Spandauw und Co. und all den vielen Rookies geworden, die von den vielfältigen Erfahrungen des Headcoaches und der 1,92 Meter großen Centerin profitieren können.

Anne, Vorsicht augenzwinkernd: Ist denn Sticken eine gute Fingerübung – auch für Basketball?

Anne Zipser: (Lacht) Ja, ich bin halt eine holde Maid aus dem 16. Jahrhundert! Und ich bin übrigens nicht die Einzige in unserem Team, die das macht. Ich habe damit in Australien angefangen. Es ist eher etwas für den Kopf, um runterzukommen und abzuschalten. Ich möchte mich nicht nur mit Basketball beschäftigen.

Was war die Hauptmotivation bei Dir, nach vier Jahren wieder zu Deinem Heimatverein zurückzukehren?

Anne: Seit 2020 war ich immer irgendwo anders unterwegs und selten zu Hause. Inzwischen haben meine Geschwister Hellen und Paul Kinder bekommen, ich bin dreifache Tante. Ehrlich gesagt: Es ging erstmal darum, heimzukommen. Tatsächlich hatte ich nicht vor zu spielen. Doch aus freundschaftlichen Gründen traf ich mich mit den BasCats-Mädels, sie erzählten mir von René und irgendwann hatten sie mich weichgekocht. Ich bat René und Oli um ein Gespräch und wies auf meine im Februar beginnende Ausbildung als Einzelhandelsfachwirt hin. Das war eine Woche vor Beginn der Preseason. René hat mir gesagt, dass er mich sehr gerne aufnehmen würde und dann ging alles ganz schnell mit Trikotanprobe, Größe, Nummer und überhaupt (lacht). Es ist sicher gut, dass meine Motivation von innen heraus geboren wurde.

Und dann bist Du gleich Kapitänin geworden. Wie beschreibst Du Deine Rolle und Dein Aufgabenprofil im BasCats-Team?

Anne: Es fühlt sich jedenfalls ganz gut an. Ich versuche, von den Trainern Richtung Team zu kommunizieren – und umgekehrt von den Mädels Richtung Coaches. Ich war noch nie in einem Team mit so vielen Rookies. „Mini“ (Anm. der Red.: Melina Karavassilis) und ich schauen, dass sich alle in Heidelberg wohlfühlen und integriert fühlen. Vor Kurzem haben wir eine Schlossführung und eine Rallye durch die Altstadt organisiert. Wir möchten, dass 16 neu zusammengewürfelte Spielerinnen auf einem Tablett zusammengeführt werden.

Am Tag der deutschen Einheit geht es für Euch gegen den Vize-Meister aus Keltern im Pokal, zugleich ist es die Pflichtspiel-Heimpremiere. Wie geht Ihr mental das vermeintliche Duell „David gegen Goliath“ an?

Anne: Es geht fast nur ums Mentale. Ich habe sogar zweimal in der Vergangenheit mit Hannover und Wasserburg gegen Keltern gewonnen. Man muss sich vornehmen: Lasst uns sie mal ärgern und schauen, was wir erreichen können. Nur so geht’s! Sie haben 12, 13 oder 14 Vollprofis, die uns in puncto Erfahrung und Abgeklärtheit voraus sind. Doch chancenlos ist man nie. Wenn eine Zweitliga-Mannschaft Keltern besiegen kann, dann sind es wir. Es könnte ein gutes Spiel von uns werden. Mal schauen.

Im März 2021 standen sich beide Teams im DBBL-Pokalfinale gegenüber (69:54 für Keltern). Wie ist Deine Erinnerung daran, wenngleich Du damals ein anderes Trikot getragen hast?

Anne: Ich war damals im Final Four in Keltern mit dem TSV Wasserburg dabei. Unser Halbfinale gegen Keltern stand unter leider keinem guten Stern. Viele waren krank und wir spielten deshalb nur zu sechst oder siebt. Als das Finale zwischen Keltern und Heidelberg stattfand, saß ich im Teambus auf dem Weg zurück nach Wasserburg. Und mir ging es gesundheitlich ziemlich schlecht.

Wie schätzt Du Euer neues BasCats-Team leistungsmäßig ein?

Anne: Im Moment sind wir zweifellos ein sehr gutes Zweitliga-Team. Das Ding ist, dass wir überhaupt noch nicht da sind, wo wir stehen könnten. Individuell haben wir unheimliches Entwicklungspotenzial nach oben. Das Problem war in letzter Zeit, dass wir unfassbar viel Verletzungspech hatten und buchstäblich von einer Krankheitswelle erfasst wurden. Alisha Lewis ist wieder zurück, doch sie hat sich natürlich noch nicht zu 100 Prozent eingegroovt. Wir können uns also in allen Bereichen verbessern. Auf dem Feld macht es jedoch sehr viel Spaß und es funktioniert mehr und mehr. Gemessen an den Trainingsumständen in der letzten Zeit sind wir schon eine sehr gute Mannschaft (lacht).

Wie passt es menschlich und charakterlich?

Anne: Menschlich sind wir eine sehr interessant zusammengesetzte Mannschaft. Quasi ein cooler, wilder Haufen. Alle sind supernett und aufgeschlossen. Wir sind vom Charakter her sehr unterschiedlich und dadurch ist es auch nie langweilig in diesem BasCats-Team. Es gibt niemanden, der sich über das Kollektiv stellt.

Trainer René Spandauw ist ein sehr erfolgreicher Mann im Damen-Basketball-Bereich. Was gibt René den „Jungen Wilden“, was den erfahreneren Spielerinnen wie Dir?

Anne: Ich wäre sogar fast schon mal zu ihm gewechselt, als René seinerzeit in Halle gewesen war. Im Nachhinein wünschte ich mir, ich hätte ihn bereits früher in meiner Laufbahn als Trainer gehabt. Auch ich lerne ständig von ihm. René hat eine Supereinstellung. Er findet stets die richtige Balance zwischen Basketball und dem Leben außerhalb von Hallen. Es ist letztlich eine gute, gesunde Mischung aus Antreiben und Formen an Erklärungen, die jede Einzelne und vor allem uns als Team von Tag zu Tag besser macht. Das Spielmodell und auch die unterschiedlichen Offensivsysteme passen zu uns. Ich bin sehr happy mit René als Trainer (lacht). Wirklich.

„Zu Anne sage ich nicht nein“, hat René zu Deiner Rückkehr nach Heidelberg gesagt. Wie schnell wusstest Du, da sage ich einfach ja?

Anne: Das braucht nicht viel Zeit. Ich habe beim Treffen signalisiert, dass ich gerne spielen würde. Er hat zu mir gesagt: Let’s go! Wir sind beide sehr effizient denkende Menschen, die mit Ja-Nein-Fragen prima klarkommen.

Du bist bekennender Fan Deines älteren Bruders Paul. Warum?

Anne: Wer ist denn hier kein Paul-Zipser-Fan? (lacht) Wenn ich mal die Schwester-Perspektive und das ständige Üben auf den Familienkorb als Kinder und Jugendliche ausklammere, dann muss ich objektiv sagen, dass Paul gewitzt und abgezockt spielt. Er liebt einfach dieses Spiel! An einem Spieltag habe ich immer den Eindruck, dass bei Paul – trotz aller Anforderungen und Herausforderungen – der Spaß bei der Arbeit überwiegt. Er hat in der Bundesliga, in den USA, in Spanien, in der EuroLeague und in der Nationalmannschaft verschiedenste Arten von Basketball mitgekriegt. Da waren auch für uns als gesamte Familie viele Highlights dabei. Mir imponiert, dass er sich nach Fuß- und Knieverletzungen und insbesondere seiner Hirngeschichte immer wieder zurückgekämpft hat. Ich gucke Paul gerne bei Spielen zu.

Wie ist dann der Adrenalinspiegel der zuschauenden Schwester bei Pauls Korbjagden mit den MLP Academics?

Anne: Mittlerweile ist das ganz entspannt für mich. Klar hatten wir damals Pipi in den Augen, als sein Name in der Riesenarena in Chicago aufgerufen wurde und er Teil der NBA gewesen war. Im SNP dome schaue ich mir mit Freunden und den BasCats-Mädels Spiele der MLP Academics an und treffe dort viele Leute. Ich mag es gerne, Basketballspiele anzugucken – ohne den Gegner analysieren zu müssen.

Rückblick: Was hat Dir die Saison bei den Goldfield Giants in Kalgoorlie-Boulder im Westen Australiens gegeben? Was war dort neu und vielleicht anders als zuvor in Heidelberg, Wasserburg oder Hannover?

Anne: Ich hatte dort eine andere Rolle als in der 1. Liga in Deutschland. In Kalgoorlie-Boulder war ich eine von drei Profispielerinnen und somit Teamleaderin. Ich hatte in der NBL 1-Sommerliga Spaß am Sport, Spaß in der Zone und unterm Strich weniger Druck oder Stress. Es war eine tolle, lebensbejahende Zeit von Februar bis Mitte Juli, die ich nicht missen möchte. Außer Goldminen und Basketball ist sechs Stunden von Perth entfernt im Landesinneren nicht allzu viel los. Eine tolle Erfahrung war auch, dass immer Jugend, Damen und Herren gemeinsam mit dem Teambus zu den Auswärtsspieltagen gefahren sind. Diese Reisen wurden wie ein Familientag mit viel Gemeinschafts- und Vereinsgefühl von den Goldfield Giants gestaltet. Einfach megacool war‘s!

Ausblick: Du bist gelernte Tierarzthelferin und Einzelhandelskauffrau. Demnächst packst Du den Einzelhandelsfachwirt drauf. Wie ordnest Du die Herausforderung ein, Leistungssport und Ausbildung unter einen Hut zu bringen?

Anne: In einem verkürzten eineinhalbjährigen Programm ab Februar werde ich im Rahmen der Ausbildung zum Einzelhandelsfachwirt Früh- und Spätschichten haben sowie Seminare besuchen. René weiß, dass er dann nicht mehr zu hundert Prozent mit mir rechnen kann. Bis dahin ist „Mini“ hoffentlich wieder fit. Ich werde sehen, wie sich Beruf und Basketball vereinbaren lassen. Vielleicht muss ich ja für die Playoffs Urlaub nehmen (lacht). Ganz gleich, was man macht: Es ist wichtig, voll hinter einer Sache zu stehen und im Kopf Raum für etwas anderes als Basketball zu haben. Ich brauche das auf jeden Fall!

Anne, vielen Dank für das lockere Gespräch und viel Erfolg mit dem BasCats-Team.

Joachim „Jogi“ Klaehn
USC BasCats Heidelberg
Kommunikation und Medien

Fotos: @cheesy.photo