Wer dieses Spiel der SNP BasCats USC Heidelberg am Samstagabend erlebt hat, der wird es wohl nicht so schnell vergessen. Nach einer dramatischen Partie und einer furiosen Aufholjagd schlug der Bundesliga-Aufsteiger den vielfachen deutschen Meister und Pokalsieger TSV Wasserburg mit 92:90 und schaffte am fünften Spieltag den ersten Sieg. Das ISSW stand Kopf, als Rachel Arthur 2,8 Sekunden vor Schluss von der Freiwurflinie aus die beiden entscheidenden Punkte machte. Der Jubel war grenzenlos und ähnelte fast dem Aufstiegsjubel im April. Die rund 250 Zuschauer waren restlos begeistert und feierten die Mannschaft mit stehenden Ovationen.
Den Spielerinnen der SNP BasCats war vor Spielbeginn anzumerken, wie sehr sie sich auf den ersten Auftritt vor eigenem Publikum freuten. In ihrem „Wohnzimmer“ wollten sie zeigen, was sie nach den vier Niederlagen in vier Auswärtsspielen drauf haben. Für Neuzugang Victoria Harris war es das erste Spiel überhaupt im ISSW. Mit der gewohnten Startformation (Helena Chatzitheodorou, Pele Gianotti, Rachel Arthur, Victoria Harris und Olivia Nash) gingen die Gastgeberinnen aufs Feld.
Den besseren Start hatte Wasserburg, das mit 5:0 in Führung ging, ehe Rachel Arthur aus der Distanz die ersten drei Heimpunkte besorgte. Nach einen 5:10 starteten die SNP BasCats einen 7:0-Lauf, den erneut Arthur mit einem Dreier abschloss. Ab da war es eine hart umkämpfte, ungemein schnelle Partie auf Augenhöhe. Mal führte Heidelberg mit drei, vier Punkten, dann wieder Wasserburg. Harris machte ihr bisher bestes Spiel, Britta Daub hatte einen Sahnetag. Klasse, wie sie sich im Dribbling um die eigene Achse drehte, an ihrer Gegenspielerin vorbei, und zum 29:27 traf. Kurz darauf bediente die Ex-Göttingerin mit einem Traumpass Olivia Nash zum 31:27.
Britta Daub hatte gegen Wasserburg einen Sahnetag.
Foto: Tom Eisele
Obwohl die SNP BasCats zunächst im Rebound mithielten (18:18 zur Halbzeit) verteidigten sie nicht gut genug. Megan McKay, Kelly Moten und Svenja Brunckhorst markierten zu einfache Punkte. Nach dem die im Vergleich zu den bisherigen Partien wie ausgewechselte Rachel Arthur und Pele Gianotti zum 42:39 trafen, konterten die Wasserburgerinnen mit einem 8:1-Lauf. Ein Distanztreffer besiegelte das 45:50 zur Halbzeit.50 kassierte Punkte sind natürlich viel zu viel, und es war klar, dass die Verteidigung besser werden musste – bei gleichbleibender offensiver Qualität.
Die zweite Halbzeit begann ganz schlecht für die SNP BasCats. Wasserburg setzte sich binnen vier Minuten auf 49:61 ab. Die überragende Moten machte in kurzer Zeit acht Punkte, das Momentum schien klar bei Wasserburg. Die Czygan-Schützlinge machten viele Fehler und warfen schlecht. Von der Freiwurflinie gelang oft nur ein Treffer bei zwei Versuchen. Doch mit Hilfe des Publikums und ihrem unermüdlichen Kampfgeist kamen die SNP BasCats zurück. Der Distanztreffer von Arthur eine halbe Minute vor Ende des dritten Viertels zum 60:66 ließ hoffen. Im dritten Viertel nur 16 Punkte kassiert, eine klare Steigerung in der Verteidigung.
Zu Beginn des vierten Viertels setzte Michala Palenickova ein Zeichen. Ihr Korberfolg mit Foul und Bonusfreiwurf zum 63:66 ließ die Halle erwachen. Das Sportinstitut wurde endgültig zum Tollhaus als Victoria Harris mit vier Punkten und Pele Gianotti das 63:68 in eine 69:68-Führung verwandelten. Die SNP BasCats gaben kein Ball verloren und zwangen den Favoriten zu mehr Ballverlusten (alleine acht im letzten Viertel). Britta Daub wurde nun immer stärker, sie markierte im Schlussviertel alleine zwölf Punkte. Anne Zipser markierte binnen einer halben Minute vier Punkte -78:73 für die SNP BasCats. Als die starke Victoria Harris (ein Double mit 17 Punkten und zehn Rebounds) das Feld mit dem fünften Foul verlassen musste, bangten alle um den unermüdlich kämpfenden Neuling, zumal auch Anne Zipser vier Fouls hatte. Olivia Nash musste zuvor nach einem Schlag gegen die Schläfe einige Zeit raus, Teamarzt Dr. Markus Weber und Christos Karavassilis kümmerten sich um sie. Doch Pele Gianotti übernahm die Center-Position auch noch mit. Die US-Amerikanerin ist derzeit die beste und konstanteste Spielerin der SNP BasCats und Dreh- und Angelpunkt. Am Ende 18 Punkte, drei Rebounds, drei Vorlagen und vier Ballgewinne – eine Klassepartie der 23-Jährigen aus Oregon.
Wasserburg gab sich nicht geschlagen, denn da war ja noch die alles überragende Kelly Moten. 29 Punkte hatte sie am Ende auf dem Konto, dazu zehn Rebounds, sechs Vorlagen, vier Ballgewinne und drei Blocks – es gibt nicht viele bessere Spielerinnen in der 1. Bundesliga. Der Distanztreffer von Britta Daub zum 87:84 rund eine Minute vor Schluss sorgte zwar für einen Jubelsturm auf den Rängen, aber noch nicht für die Entscheidung. 15 Sekunden vor Ende verwandelte Arthur einen von zwei Freiwürfen zum 90:88, doch 3,9 Sekunden vor dem Ende glich Svenja Greunke aus.
Center Victoria Harris machte ihr bisher bestes Spiel für die SNP BasCats.
Foto: Tom Eisele
2,8 Sekunden vor Schluss: Einwurf Britta Daub, Rachel Arthur verwickelt Geburtstagskind Svenja Brunckhorst in einen Zweikampf, die Schiedsrichter pfeifen Foul. Brunckhorst sinkt fassungslos zu Boden, Trainerin Sidney Parsons kann es nicht glauben. Die Zuschauer jubeln, Rachel Arthur geht zur Freiwurfline und verwandelt beide Würfe unter dem ohrenbetäubenden Jubel der Fans. Danach brechen alle Dämme. Die Ersatzspielerinnen stürmen das Spielfeld, das Trainerteam samt Manager Stephan Winkler fällt sich in die Arme; Chris Baum hebt Serena Benavente in die Höhe. Was für ein Spiel!
Die SNP BasCats haben sich mit enormem Teamgeist und einer kämpferischen Glanzleistung den ersten Sieg verdient, sie hatten diesmal das Glück des Tüchtigen. In eigener Halle scheint der Bundesliga-Neuling zu allem fähig. Nun gilt es diese Leistung auch auswärts zu bestätigen. Am kommenden Sonntag geht es zum TK Hannover, am 2. November kommt Saarlouis ins Sportinstitut.
Auch das Rahmenprogramm war wieder klasse. Die Blue Magic Cheerleader sorgten wie gewohnt für Stimmung und akrobatische Einlagen, Manager Stephan Winkler überreichte in der Halbzeitpause ein BasCats-Trikot an Herrn Schneider-Neureither vom Namenssponsor SNP und Caroline Hernandez Sanchez und Madeline Rebel von der Musical Group Böhl-Iggelheim gaben äußerst hörenswerte Gesangsproben ihres Könnens.
Rachel Arthur fand gegen Wasserburg ihre Treffsicherheit wieder.
Foto: Foto Eisele
Stenogramm: 0:5 (1.), 5:10 (2.), 12:10 (4.), 20:16 (6.), 25:25 (10.), 31:27 (12.), 35:36 (14.), 42:39 (17.), 45:50 (Halbzeit), 49:54 (21.), 49:61 (24.), 56:62 (28.), 60:66 (30.), 63:68 (32.) 69:68 (33.), 78:73 (35.), 80:82 (37.), 87:84 (38.), 90:90 (39.), 92:90.
Punkte SNP BasCats: Arthur 19/3, Gianotti 18/1, Harris 17, Daub 15/2, Nash 10, Zipser 8, Palenickova 3, Chatzitheodorou 2, Meusel.
Punkte Wasserburg: Moten 29, McKay 19, Brunckhorst 16/1, Greunke 12/2, Perner 5/1, Hodges 5, Jakovina 4, Scholzgart.
Rebounds: 28:39 (BasCats/Wasserburg): Harris 10, Arthur 5, Nash 5 – Moten 10, Team 8, Greunke 6, McKay 6.
Wurfquote aus dem Feld: 60:52%
Dreierquote: 29:50% (6/21:4/8)
Freiwurfquote: 67:85%
Ballverluste: 14:21
Stimmen zum Spiel:
Trainer Dennis Czygan: „Wasserburg hatte in der ersten Halbzeit 58% Trefferquote, das ist schon sehr stark. Gut war, dass wir nach den elf Punkten Rückstand im dritten Viertel nicht auseinandergefallen sind. Wir haben dann unsere Verteidigung gemacht. Diesmal hat die Mannschaft Geduld gehabt und vorne nicht wild geworfen. Nach dem fünften Foul von Victoria habe ich umgestellt. Anne Zipser kam rein, Pele Gianotti ging auf die Centerposition. So hatten wir drei kleine Spielerinnen auf dem Feld. Heute hat sich erneut gezeigt, dass in der 1. Liga ein wahnsinniges Tempo herrscht. Britta Daub hat ein echt starkes Spiel gemacht, Victoria hat viel mehr gezeigt als bisher. Pele Gianotti ist unsere stabilste Spielerin. Diese Woche werden wir nutzen, um die guten Sachen dann auch in Hannover zu zeigen.“
Rachel Arthur: „Ich habe bei meinen beiden letzten Freiwürfen gar nicht so sehr daran gedacht, dass ich sie reinmachen muss. Ich dachte mehr daran, wie sehr mir mein Team vertraut. Wasserburg hatte in der ersten Halbzeit zu viele freie Würfe, danach haben wir uns mehr auf die Verteidigung konzentriert. Dann sind wir einfach stark. Wir haben diesen Sieg so sehr gebraucht. Leider kann man diese Heimspielatmosphäre nicht nach auswärts transportieren.“
Michael Rappe