Kreuz- und Innenbandverletzungen im Knie – sie sind für Sportler so etwas wie ein Schreckgespenst. Denn häufig bedeuten sie eine Pause von vielen Monaten, manchmal von mehr als einem halben Jahr oder noch länger. Wohl dem Sportler oder der Sportlerin, der/die sich auf professionelle Betreuung verlassen kann.
Diese professionelle Betreuung hatte Brooke Le Mar, Aufbauspielerin beim Basketball-Bundesligisten AXSE BasCats USC Heidelberg, ganz ohne Zweifel. Zunächst war der Schreck bei ihr, den Mitspielerinnen und dem Trainerstab groß, als sie sich am 3. September im Finale des Sparkassen-Cups in Speyer einen Innenbandriss und einen Anriss des hinteren Kreuzbandes zuzog. Noch ehe sie ihr erstes Pflichtspiel für den Aufsteiger bestreiten konnte, war sie außer Gefecht gesetzt. So etwas kann auch einer grundsätzlich positiven Persönlichkeit wie der Kalifornierin mental schwer zusetzen. Doch die 26-jährige US-Amerikanerin nahm die große Herausforderung an. Das Ziel war es, im Dezember ins Training zurückzukehren und nach der Weihnachtspause spielfähig zu sein.
Dr. Markus Weber von der Sporthopaedie Heidelberg erklärt die besondere Situation. „Wenn das vordere Kreuzband gerissen wäre, dann wäre eine Pause von sechs bis neun Monaten normal gewesen. Ein Einriss des hinteren Kreuzbandes wie bei Brooke wird meist konservativ behandelt. Operiert wurde nur das Innenband mit dem Kapselriss.“ Die Operation wurde in der SPORTOPAEDIE von seinem Kollegen Dr. Nikolaus Streich erfolgreich durchgeführt. „Enorm wichtig waren die sofortige Diagnostik direkt nach dem Unfall, und dann natürlich die Physiotherapie durch Christos Karavassilis. Das ist optimal gelaufen“, sagte der Teamarzt der AXSE BasCats.
Der zeitliche Einsatz von Dr. Weber war enorm. Als früherer Basketballer, der vor 20 Jahren beim USC gespielt hat und bei den Academics schon lange Mannschaftsarzt ist, war es ihm ein besonderes Anliegen, umfassend zu helfen. „Ich habe sie wöchentlich beim Training gesehen“, sagte er. Tief beeindruckt war er vom großen Einsatz Brooke Le Mars, die eisern täglich mehrere Stunden trainierte. „Die Schwierigkeit war, abzuschätzen, wann sie wieder einsatzfähig sein würde“, beschreibt Weber die spannenden Monate. Schließlich war ihr Ersatz auf der Aufbauposition, Ny Hammonds, erst einmal nur bis Weihnachten verpflichtet worden. In enger Abstimmung mit Trainer Dennis Czygan war die positive Entscheidung dann kurz vor Weihnachten gefallen. „Von der Zeit her war das wirklich optimal“, freute sich der Arzt.
Brooke Le Mar sei natürlich noch nicht bei 100 Prozent, sie habe noch Defizite in der Schnellkraft und auch muskulär, aber wenn sie so weitermache wie bisher, sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie wieder voll belastbar sei. Die Gefahr einer erneuten Verletzung sei zwar noch da, aber bei Innenbandverletzungen sei das Risiko nicht so groß. „Die Schutzorthese wird sie die ganze Saison noch behalten und sie muss eben viel Athletiktraining machen“, so Weber. Doch wer Brooke Le Mar kennt, weiß, dass sie alles geben wird. Genauso wie der Arzt, der auch bei den Spielen dabei ist und sich weiter ganz intensiv um sie kümmert.
Diese Einstellung der Sportlerin hält auch Christos Karavassilis für beeindruckend. „Wenn man so ein ambitioniertes Ziel erreichen will, gehören da eben zwei dazu“, sagte der 54-Jährige, der Brooke Le Mar direkt nach der erfolgreichen Operation unter seine Fittiche nahm. „Sie ist definitiv ein beispielhafter Profi“, lobte er. Jeden Tag Reha, Therapie, dann die Physioathletik – das alles war ein sehr umfangreiches und anstrengendes Programm. Karavassilis, dessen Tochter Melina auch zum Kader der AXSE BasCats gehört, weiß, wovon er spricht. Er hat in seiner griechischen Heimat 1. und 2. Liga gespielt, war mit 17 Junioren-Nationalspieler und war ebenfalls beim USC, teilweise beim kürzlich verstorbenen Hans Leciejewski, aber überwiegend im Regionalliga-Team. „Ich habe oft meine 20 bis 30 Punkte gemacht, Basketball ist mein Leben“, erinnert sich Karavassilis. Ein Autounfall beendete die eigenen sportlichen Ambitionen, und so intensivierte er seine berufliche Karriere im Bereich Physiotherapie. In der Handschuhsheimer Landstraße in Dossenheim ist er gemeinsam mit Ehefrau Gabrielle Inhaber von „Karafit & Physio im Vitalis“ und bietet dort alles rund um Fitness und Physiotherapie. Schon in Griechenland hatte er den brasilianischen Fußballer Rivaldo behandelt, hier betreute für zwei Jahre die Hoffenheimer Männer, als sie noch in der Oberliga waren. Er bekam Roy Makaay von Bayern München wieder fit, behandelte Tennisstar Anke Huber – „für sie habe ich meinen Weihnachtsurlaub abgesagt“ – und auch den heutigen NBA-Profi Paul Zipser betreute er beim USC, als der mit 15/16 Jahren ständig verletzt war. Danilo Barthel bekam er auch wieder hin.
Doch zurück zu Brooke Le Mar. Sie hatte überlegt, die Reha in den USA zu machen, aber dort hätte sie so eine intensive Betreuung nicht bekommen. „Ich schätze mal, sie hat 120 bis 120 Stunden in den vier Monaten gerackert, allein und mit Therapeut.“ Vier Monate lang, jeden Tag, auch samstags, teilweise sonntags. Stets unter den wachen und erfahrenen Augen von Christos Karavassilis und seinem Physio-Team, unter anderen Edem Devo-Aziza. „Ich hatte natürlich die meiste Verantwortung, aber ich bei seit 30 Jahren dabei und außerdem mache ich es gerne. Wir sind schon seit vier, fünf Jahren bei den AXSE BasCats dabei. Bis zum Aufstieg in die 1. Bundesliga war es inoffiziell, jetzt auch offiziell. Das ist unser Sponsoring“.
Auch für Christos Karavassilis war es toll zu sehen, wie Brooke Le Mar in Wasserburg ihre ersten Minuten spielte und dann gegen Herne vor eigenem Publikum so ein tolles Spiel hinlegte. Mit regelmäßigen screening tests hatte er ihre Trainings- und Spielfähigkeit überprüft und dokumentiert. „Das sind international anerkannte Protokolle, mit denen man beispielsweise auch in den USA etwas anfangen kann“, erklärt er. Von „intend to play“ über „return to play“ zum vierten Level „intend to competition“ – diesen Status hatte Brooke kurz vor Weihnachten erreicht.
Ein Physiotherapeut muss auch ein guter Psychologe sein. „Man hat gesehen, dass sie im ersten Spiel in Wasserburg zunächst Angst hatte, in der zweiten Halbzeit hat sie sich dann schon mehr getraut.“ Es waren nur drei Tage Zeit bis zum Spiel gegen Herne. Karavassilis führte mit ihr spezielle Techniken gegen die Angst durch. „Der Kopf spielt im Sport eine große Rolle“, unterstreicht er. Sowohl er als auch Dr. Weber waren schon lange Zeit vor dem Spiel gegen Herne anwesend. Sie machten einen Test vor und nach der Partie. Das erfreuliche Ergebnis: „Das Band war hinterher sogar fester.“
Auch bei Christos Karavassilis war die Freude nach dem Herne-Spiel riesig. Das überglückliche Gesicht von Brooke Le Mar nach dem Spiel war für ihn der schönste Lohn für unendlich große Mühen. „Dieses Comeback nach vier Monaten ist wirklich sensationell, eine tolle Story“, meinte er zufrieden. Es hätte nicht besser laufen können, er freute sich mit ihr und dem ganzen Team über den großen Sieg gegen Herne. „Brooke wird immer besser werden“, ist er überzeugt. Er erinnert sich noch gut an die geschockten Gesichter der Mitspielerinnen in Speyer, als sich Brooke Le Mar so schwer verletzter. Sie sollte doch die Führungsspielerin beim Aufsteiger werden.
Groß ist die Freude und Dankbarkeit auch bei Dennis Czygan. Denn es war durchaus ein Spiel mit dem Feuer, Ny Hammonds nach Hause zu schicken und auf die Einsatzfähigkeit von Brooke Le Mar zu setzen. „Nicht jeder Erstligist hat solche Möglichkeiten“, lobt er die Leistungen von Christos Karavassilis und Dr. Markus Weber. „Ihre Kompetenz und ihr Einsatz sind für uns Gold wert, nur deshalb können die Spielerinnen ihre Leistung abrufen.“ Die regelmäßige Physiotherapie, das „Milon-Programm“ – ein computergesteuerter Kraftzirkel – und die Anwesenheit und Betreuung bei den Heimspielen sind Faktoren für den Erfolg.
Und vor dem Spiel gegen Herne profitierte Dennis Czygan selbst davon. Er hatte massive Bandscheibenprobleme und konnte sich kaum bewegen. Christos Karavassilis bekam auch das wieder hin. Wohl dem, der so eine Betreuung hat. Da muss es doch mit dem Teufel zugehen, wenn es mit dem Klassenerhalt der AXSE BasCats nicht klappen sollte.
Michael Rappe
Bei jedem Training schaute Dr. Markus Weber auf das Knie von Brooke Le Mar.
Foto: Michael Rappe
Nach der Operation genoss Brooke Le Mar die professionelle Betreuung von Christos Karavassilis und seinem Physio-Team.
Vier Monate lang tägliche harte Arbeit fürs Comeback.
Der eiserne Wille der Athletin gehört mit dazu.
Die Anstrenungen sind Brooke Le Mar anzusehen, doch es hat sich gelohnt. Pünktlich zum ersten Spiel im neuen Jahr war die US-Amerikanerin wieder einsatzfähig.
Die Arbeit mit Ball ist eine willkommene Abwechslung
Fotos (5): Karavassilis