Wenn im Basketball eine Spielerin aus Übersee nach Deutschland kommt, dann bleibt sie in der Regel nur wenige Jahre. Eine absolute Ausnahme von dieser Regel ist Serena Benavente. Die Kapitänin der AXSE BasCats spielt mittlerweile die achte Saison in Heidelberg. „Das hätte ich damals nie gedacht“, sagt die mittlerweile 32-jährige US-Amerikanerin über jene Tage im Spätjahr 2008, als sie von Dennis Czygan und Oliver Muth bei einem Tryout in Bonn entdeckt wurde.
Mittlerweile hat sie Heidelberg lieben gelernt und fühlt sich am Neckar pudelwohl. Die Mannschaft, die Stadt, die Menschen – Serena Benavente ist rundum glücklich. Natürlich fehlt ihr der Strand im heimischen Seaside in Kalifornien, doch dafür hat Heidelberg ein Schloss zu bieten.
Serena Benavente, am 25. Februar 1985 in Monterey geboren, wuchs in behüteten Verhältnissen mit zwei jüngeren Brüdern auf. „Es war eine schöne Kindheit zu dritt, es war nie langweilig“, erinnert sich Benavente beim Interview im Café Fresko in der Heidelberger Sofienstraße, einem ihrer Lieblingsplätze in der Neckarstadt. Genüsslich schlürft sie einen Milchkaffee. Ihr Bruder Chris ist bei der Air Force in New Mexico stationiert, nachdem er einige Zeit in Japan war. Ihr zweiter Bruder Jonathan ist freiberuflicher Fotograf. Die Eltern, die im Volleyball aktiv waren, leben noch heute im gleichen Haus in Seaside, einer Kleinstadt mit 34.000 Einwohnern im County Monterey. Das Meer war mit dem Fahrrad in nur 15 Minuten zu erreichen. „Bei uns ging es immer sportlich zu“, so Benavente. Auf Bäume klettern, Fahrrad fahren, Surfen, Baseball, Basketball – die Benaventes waren stets in Bewegung.
In Sachen Basketball war Serena Benavente aber eine Spätstarterin, denn ihre erste Leidenschaft gehörte dem Softball, der weiblichen Variante von Baseball. „Ich habe auch Turnen und Taekwondo gemacht, was perfekt für die Beweglichkeit war“, erzählt sie. Erst mit 13 oder 14 Jahren kam sie auf der Notre Dame High School in Salinas zum Basketball. „Ich war auch im Softball gut und habe es die ganze High School über gespielt, aber Softball ist eher langsam, beim Basketball ist immer Action.“
So ernst sieht man den Sonnenschein aus Kalifornien nur selten.
Foto: Tom Eisele
So entschied sich Serena Benavente schließlich für Basketball. Nach der High School (9.-12. Klasse) ging sie aufs St. Mary’s College und wurde dort zu einer herausragenden Basketballerin. Meisterschaften konnte sie nie gewinnen, aber sie war in den Statistiken stets vorne zu finden und war Jahre lang Starterin. Als „Profi“ bekam sie zwar kein Geld fürs Basketballspielen, aber das Studium der Kinesiologie war dafür völlig umsonst. Im letzten Heimspiel der Saison 2004/05 riss sie sich das Kreuzband im rechten Knie und nach ihrer Rückkehr im ersten Training gleich noch einmal.
Sie kam zurück, dennoch schien das Ende ihrer Basketball-Karriere vorgezeichnet. „Ich war nicht gut genug für die WNBA, und ich dachte, nach fünf Jahren brauche ich eine Pause“, beschreibt Benavente diesen Wendepunkt ihrer Karriere. Gleichwohl hatte sie immer von „overseas“ geträumt. Ein Abendessen mit ihrer Freundin Sheridan, die in Europa spielte, brachte ein halbes Jahr später den Umschwung. Sie wagte den Schritt und flog mit ihrer Mutter nach Deutschland. Für beide war es die erste Reise außerhalb den USA. „Ich war total nervös und hatte Angst, dass es nach einem halben Jahr Pause nicht reicht“, erinnert sich Benavente. In Bonn fanden im Dezember 2008 „Tryouts“ statt. Dennis Czygan und Oliver Muth waren vor Ort. Damals schickten sich die BasCats an, Meister in der Regionalliga zu werden und in die 2. Liga aufzusteigen. „Mom, das ist mein Traum, ich probiere es“, sagte sie zu ihrer Mutter.
„Für die Regionalliga brauchten die natürlich keinen Profi, aber die Idee von Dennis war, dass ich das Team schon mal kennenlerne und in der Rückrunde 2008/09 einsteige.“ An die erste Begegnung mit der Mannschaft erinnert sich Serena Benavente noch heute, als ob es gestern war. „Ich habe jeder Spielerin die Hand gegeben, alle beäugten mich, es war komisch.“ Damals waren u. a. Caterina Maurer, Katja Schneider, Berit Adrion und Angie Oehler mit dabei. In der Gastfamilie Karavassilis fühlte sich Serena Benavente pudelwohl und fasste schnell in Heidelberg Tritt, obwohl sie zunächst kein Wort Deutsch sprach. „Ich habe mich total in Heidelberg verliebt“, gibt die Amerikanerin zu. Die Stadt sei nicht zu klein und nicht zu groß, das Schloss hat es ihr besonders angetan, ebenso wie die vielen Cafés am Neckar. Es ist ihre zweite Heimat geworden. Und Deutsch spricht und versteht sie inzwischen sehr gut.
Schnell zeigte sich, was für ein Juwel die BasCats da geholt hatten. Als erste Ausländerin im Team überhaupt übernahm sie schnell die Führungsrolle. Der Aufstieg in die 2. Liga gelang problemlos, im ersten Zweitligajahr erzielte Benavente in Ludwigsburg 38 Punkte, die höchste Zahl ihrer Karriere. Es war der erste Zweitligasieg der BasCats am 4. Dezember 2009, errungen nach Verlängerung. Der Klassenerhalt wurde geschafft, ab da gab es höhere Ziele. Seit 2011 standen die BasCats jedes Jahr in den Playoffs.
Serena Benavente im Februar 2011 bei einem Ligaspiel in Würzburg.
Foto: Archiv
Neben dem Basketball beendete Serena Benavente auch ihr Studium. Im Sommer flog sie stets zurück in die USA, belegte Kurse und machte schließlich ihren Bachelor und Master. Eine Tätigkeit als Trainerin ist vorgezeichnet. „Wenn ich nach der Basketballkarriere hier einen richtigen Job finde, dann bleibe ich in Heidelberg.“, beschreibt sie ihre Zukunftsgedanken. Derzeit hat sie einen Minijob im Fitnessstudio von Christos Karavassilis, ist Co-Trainerin des Regionalliga-Teams und seit dieser Saison sogar Athletikcoach bei den MLP Academics. Der Schritt zu den Männern war kein einfacher, aber die Profis merkten schnell, dass da jemand seinen Job versteht. „Ich habe Kinesiologie studiert, hatte schon beim WNBL-Team das Athletiktraining gemacht, ich konnte mich in sie hineinfühlen. Anfangs bin ich noch mit einem genauen Plan ins Training gegangen, mittlerweile geht das auch ohne. Ich habe Selbstvertrauen und kann mir gut vorstellen, als Trainerin zu arbeiten.“
Die Arbeit mit jungen Spielerinnen mag sie besonders. Sara Kranzhöfer beispielsweise kennt sie seit der U14 und hat großen Anteil an deren Entwicklung. Und das gilt für alle jungen Spielerinnen. Stets steht sie mit Rat und Tat zur Seite. Dass das Team der BasCats schon so lange und erfolgreich zusammenspielt, macht Serena Benavente sehr stolz. Niemand sei egozentrisch, alle hätten verinnerlicht, dass man zusammen arbeiten muss, um ein großes Ziel zu erreichen. „Mit dieser Mannschaft Meister zu werden, wäre was ganz Besonderes“, meint die Kapitänin. Letztes Jahr war es die Vizemeisterschaft, „da war Bad Aibling einfach zu gut“. Dieses Jahr kann der große Wurf gelingen.
Eine besondere Drucksituation sah Serena Benavente vor den Playoffs, die am Freitag mit dem Rückspiel bei den Elangeni Falcons Bad Homburg fortgesetzt werden, nicht. „Wir sind mittlerweile bereit für die besonderen Situationen. Wir waren in dieser Saison schon 15 Punkte vorne, aber auch 15 Punkte hinten, wir haben alle Situationen erlebt. Ich denke nicht daran, dass wir scheitern könnten“, zeigt sich die Kalifornierin mit dem herzigen Lachen sehr optimistisch. Das Team habe sich entwickelt, es hänge nicht mehr alles an den Profis. „Auch Marlene beispielsweise kann mittlerweile den entscheidenden Wurf machen.“ Bad Homburg schätzt sie trotz des 65:51 im Hinspiel stark ein. „Die haben gute Werferinnen von außen, rennen viel und nehmen die Würfe schnell. Wir müssen das Tempo herausnehmen und auf die vielen Kleinigkeiten achten. Nur dann werden wir erfolgreich sein“, meinte Benavente.
„Ich wäre natürlich enttäuscht, wenn wir nicht Meister werden, aber alle vier Teams haben die Chance dazu. Jeder kann gewinnen. Wir müssen nur unsere Fähigkeiten in jedem Spiel zeigen.“ So wie Benavente denkt die ganz Mannschaft. Nur die Meisterschaft ist das Ziel, „an den Aufstieg oder an fehlende Finanzen denken wir gar nicht“, so Benavente.
Serena Benavente strahlend nach dem Finaleinzug in Bamberg in der letzten Saison.
Foto: Tom Eisele
In der 1. Bundesliga zu spielen, davon hängt ihr Glück nicht ab. „Ich habe in den USA hoch gespielt, die 2. Liga ist auch hoch. Ich bin glücklich mit meiner Karriere, wer kann das schon sagen? Ich bin Profi in Europa, ich lebe meinen Traum jetzt hier in Heidelberg.“ In den achten Jahren Heidelberg habe sie so viel Neues kennen gelernt, eine andere Sprache gelernt, in einem fremden Land gelebt und gearbeitet. „Ich bin persönlich gewachsen, und das sehe ich als größeren Erfolg als meine Basketball-Karriere an.“
Wenn der Aufstieg in die 1. Bundesliga sportlich wie finanziell realisiert werden würde, würde sich auch Serena Benaventes Tagesablauf ändern. „Klar haben wir gegen Erstligist Wasserburg gezeigt, dass wir mithalten können. Aber das geht nicht jede Woche. In der 1. Liga wird viel schneller und physischer gespielt, da braucht man mehr Profis. Ich müsste mehr Wurf- und Krafttraining machen. Es wäre ein ganz großer Schritt nach oben.“ Ein ganz großer Schritt – so wie der vor acht Jahren, als Serena Benavente das Städtchen Seaside verließ, um in Heidelberg ihr Glück zu versuchen. Sie hat es gefunden, persönlich wie sportlich. Und das auch ohne Bundesliga-Aufstieg.
Michael Rappe
Video von Serenas 38 Punkten im Dezember 2009 in Ludwigsburg: https://www.youtube.com/watch?v=0fDOY8sMTJ0
Zur Person: Serena Benavente
Geboren: am 25. Februar 1985 in Monterey, Kalifornien
Wohnort: Heidelberg
Familienstand: ledig
Größe: 1,65 m
Position: Aufbau/Flügel
Beruf: Basketball-Profi; Athletik-Trainerin MLP Academics, Co-Trainerin USC Heidelberg II (Studium: Master und Bachelor Kinesiologie)
Bisherige Vereine: St. Mary’s College in Moraga (Kalifornien), seit Januar 2009 BasCats USC Heidelberg
Erfolge: Regionalliga-Meister und Aufstieg in die 2. Bundesliga 2009, 7x in Folge Playoff-Teilnahme (2011 bis 2017), Playoff-Finalist 2016.
Michael Rappe